HSG im Museum

„Der Niederrheiner an sich weis nichts, kann aber alles erklären“. Was Kabarettist Hanns Dieter Hüsch einst vorlebte, konnte an einem Winter-Sonntag eine Sportlergruppe der SG Holzheim im „Museum der Niederrheinischen Seele“ nachvollziehen. Sie machte die Nachbarstadt zum Ausgangspunkt eines schönen Sonntagsausflugs, obwohl es „usselig“ war – wie der Niederrheiner zu sagen pflegt.

von Michael Scheffler

Grevenbroich. Bevor Stefan Pelzer-Florack, Fachbereichsleiter Kultur bei der Stadt Grevenbroich, die Besuchergruppe begrüßte, ging es erst einmal mit der Bahn in die „Bundeshauptstadt der Energie“, wie es immer noch auf einem ausgestellten Brikett, aber nicht mehr auf den Ortseingangsschildern, heißt.

Man kann also sagen: Die Bahn funktioniert am Niederrhein. 

Der Museums-Chef räumte zum Einstieg seiner kompetenten und witzigen Führung erst einmal mit einem Sprachmissverständnis auf. Ein großes „O“ und ein großes „I“ symbolisieren das „Dehnungs-I“ im Stadtnamen „Grevenbrooch.“ Das hatte noch bei Horst Schlämmer, ein inzwischen verpönter Sohn der Stadt, einen anderen Zungenschlag.

Geliebt wird auch nicht die Braunkohle, obwohl sie die Landschaft beherrscht. Pelzer-Florack lässt Tafeln mit verschwunden Dörfern aufklappen, zeigt auf die Werbetafel der „Holzer Grillstube“, die einst die Bevölkerung mit Fritten beglückte.

 Dann die Hand an einem Drehschalter aus den 70er Jahren. „Der Letzte macht das Licht aus.“ Galgenhumor auf niederrheinische Art.

Früher war das Museum geprägt von ägyptischer Kunst, teilweise gefakt. Pelzer-Florack erinnert sich an eine Mumie, die aus Leichenteilen von verschiedenen Personen zusammengesetzt war und zeigt auch gerne die so genannte „ägyptische“ Wandbemalung in einem Nebenraum.

Heute führen neun Themenräume Besuchergruppe in die Verästelungen der niederrheinischen Seele hinein. In einem werden Panhas, Appeltaat und Sauerbraten mit Apfelkompott aufgetischt.

Pelzer-Florack schenkt sogar ein Schlückchen „Feldapotheker“ aus, ein in Grevenbroich produzierter Kräuterschnaps, der schon die Mägen der Soldaten im Zweiten Weltkrieg desinfiziert haben soll.

Verleugnet wird nicht, dass es Protestanten bis in die 60er Jahre schwer hatten am katholischen Niederrhein. Künstler wie Dieter Wellershoff wirkten zumindest bundesweit. Industrielle sorgten für Wirtschaftskraft. Aber Zucker und Textil sind Vergangenheit.

Vorbei die Zeit, als sogar die New Yorker Polizisten Zwirn aus Grevenbroich trugen. Der Textilindustrie entstammt auch Diedrich Uhlhorn, ein „Daniel Düsentrieb“ in vielen Bereichen.

Sein spektakulärstes Werk steht als Prototyp im Keller der „Villa Erckens“: eine Kniehebelpresse, die erste Münzpresse der Welt, die eine gleichmäßige Massenproduktion von Münzen erlaubte. Sie soll bald restauriert werden und dann auch wieder Münzen pressen können. Im kleinen Rahmen, versteht sich.

Sprachunterschiede zwischen dem Rheinländer und dem Niederrheiner werden herausgearbeitet und als Pelzer-Florack zum Schluss zur Gitarre greift, ist es doch ein Kölner Lied, das mitgesungen wird: „In unserem Veedel“.

Ja, das „Museum der Niederrheinischen Seele“ ist ein Heimatmuseum, aber restlos entstaubt vom romantisierenden Heimatgedanken, frech und mit genau der richtigen Distanz zum eigenen Ich des Niederrheiners. Und weil er so gerne Appeltaat isst, wurde diese beim Zwischenstopp auf dem Rückmarsch nach Holzheim im Café der neuen Seniorenresidenz „St. Martinus“ in Wevelinghoven aufgetischt.

Danach wurde es auf matschigen Wegen noch einmal ungemütlich. Es fing an zu fisseln. Typisch Niederrhein.